Rückblick aufs Pop-Jahr: An Taylor Swift kam keiner vorbei (2024)

Essen. Auf den hinteren Plätzen landen Beyoncé, Miley Cyrus, Lindenberg und Apache 207 sowie Otto und Ski Aggu, Till Lindemann und die Stones.

Warum eigentlich nicht US-Präsidentin? Taylor Swift bringt alle Voraussetzungen für die beliebte Stelle mit, die im Januar 2025 neu zu besetzen ist: Sie ist Bürgerin der Vereinigten Staaten, hat mindestens vierzehn Jahre lang in dem Land gelebt und sie wird am 13. Dezember 2024 das in Artikel II der Verfassung festgelegte präsidiale Mindestalter von 35 Jahren erreichen.

Gegen die zwei Senioren, die nach Stand der Dinge gegeneinander antreten werden (ein Höchstalter sieht die Verfassung nicht vor), hätte Taylor gewiss leichtes Spiel. Sie ist die größte Anti-Spalterin der Welt. Eine Künstlerin, auf die – nicht nur in den USA – inmitten kollabierender Gewissheiten zu hundert Prozent Verlass ist.

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Für viele ist Swift der Sonnenstrahl, der die grauen Gemütswolken dieses Jahres immer mal wieder wegschubst, um Freude und Zuversicht zu bringen. „Ich bin überzeugt, dass sie zwei erfolgreiche Amtszeiten absolvieren würde“, glaubt auch Lucian Grainge, der Chef der Universal Music Group, Swifts Plattenfirma. Vielleicht bringt sie dann ja auch gleich noch ihren ziemlich entschlossen guckenden Kater Benjamin Button als Vize mit ins Weiße Haus. Das Cover des „Time“-Magazins, dessen Redaktion Taylor Swift jüngst zu ihrer „Person of the Year“ gekürt hat, zieren die beiden ja bereits gemeinsam.

Taylor Swift spielt bei ihrer „Eras“-Welttournee dreimal in Gelsenkirchen

Swift selbst hat sich zu der Job-Idee noch nicht positioniert, sie hat zu tun. 66 Termine ihrer „Eras“-Welttournee hat sie 2023 gespielt, das sind sechsundsechzig mal drei Stunden, vierzig Songs, sechzehn Kostümwechsel. Die Show kam auch als „The Eras Tour“-Konzertfilm ins Kino, natürlich mit Rekordergebnissen. Zwischen den Auftritten schläft Swift, perfektioniert im Gym Kraft und Ausdauer oder besucht die Spiele ihres noch recht neuen Freundes Travis Kelce, Tight End der Kansas City Chiefs. Zur Milliardärin wurde sie in diesem Jahr auch noch, quasi so nebenbei. „Ich habe mich noch nie so stolz, glücklich und erfüllt gefühlt“, sagt Swift. „Ich empfinde dieses Jahr als den wahren Durchbruch meiner Karriere.“

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Die Frau, die auf einer Weihnachtsbaumfarm in Pennsylvania aufwuchs und 2006 ihr Debütalbum veröffentlichte, sorgte bisweilen für eine Monokultur in eigener Sache. Single- wie Albumcharts waren und sind voll mit Swift-Erzeugnissen, zuletzt bugsierte sie die vier Jahre alte Nummer „Cruel Summer“ sowie ein paar Songs aus dem Archiv, mit denen sie ihr Album „1989 (Taylor’s Version)“ aufpeppte, in vorderste Chartbereiche.

Die Sache mit den Neuaufnahmen ihrer früheren Alben ist sowieso der vielleicht genialste Geniestreich dieser sehr gewieften Frau: Weil ihr ehemaliges Plattenlabel die Rechte an ihren Songs im Sommer 2019 an Scooter Braun (den Ex-Manager von Justin Bieber) verkaufte, der sie wiederum an eine Investmentgesellschaft verhökerte, entschied sich Swift, einfach alles noch mal neu einzuspielen und zu veröffentlichen. Ein krasser Boss-Move, oder wie es die „Time“-Leute ausdrücken: „Sie hat sich ihr Narrativ zurückgeholt.“

Taylor Swifts Auftritte sorgten für eine messbare Belebung der örtlichen Wirtschaft

Neben der kolossalen Klebkraft ihrer Melodien ist es vor allem die hochpersönliche Note ihrer Texte, die dafür sorgt, dass sich Menschen durchaus aller Altersklassen mit Taylor Swift verbunden fühlen. Swift singt kein Larifari, sondern erzählt ihre eigene Geschichte. Sogar Jerome Powell, dem Präsidenten der US-Notenbank, ist Taylors Triumphzug nicht entgangen. In den Städten, in denen die „Eras“-Tour gastiert, lasse sich der „Swift-Effekt“ beobachten, eine messbare Belebung der lokalen Wirtschaft, so die Fed. Spätestens im kommenden Juli, wenn die Tour zu uns kommt, dürfte der hiesige Wirtschaftsminister also endlich wieder einen Aufschwung vermelden können.

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Überhaupt sind es die Frauen, die den Karren ziehen. Beyoncé, mit Taylor freundschaftlich verbunden, blickt ebenfalls auf ein fulminantes Jahr dank ihrer „Renaissance“-Stadiontour. Der irgendwie dann ja doch feministische, auf alle Fälle kunterbunte „Barbie“-Film von Greta Gerwig ist der meistbesuchte des Jahres. Kylie Minogue, Superstar seit Ende der Achtziger, gelang mit „Padam Padam“ nicht bloß ein wunderbar unausweichliches Comeback, sondern dank TikTok (auch 2023 eine maßgeblich erfolgsbefeuernde Maschine) die Ersteroberung der aktuellen Jugendgeneration.

Der Hit des Jahres: „Flowers“ von Miley Cyrus

Der unangefochtene Hit des Jahres geht indes auf das Konto von Miley Cyrus, übrigens auch schon 31 und fast so lange Weltstar wie Taylor Swift. „Flowers“, ein herrliches Hoch auf das gesunde „Ohne dich geht es mir besser“-Gefühl, kam direkt im Januar raus und ist seitdem einfach geblieben, in den Charts wie in den Ohren.

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Ein bisschen unter dem Radar des volljährigen Publiku*ms reüssierte unterdessen Elif Akar aus Recklinghausen. Die 25-Jährige nennt sich Ayliva, macht von Hop-Hop beeinflussten Pop mit viel Beat-Bumms, eifert optisch und musikalisch der Kollegin Ariana Grande nach und hatte 2023 mit „Schwarzes Herz“ das auf Spotify am häufigsten gestreamte Album Deutschlands. Einer ihrer Tophits heißt „Weißes Haus“, doch da wird die Ex-Studentin (Philosophie, Germanistik, Soziale Arbeit) so schnell nicht einziehen, da Ayliva aktuell keine der Bedingungen erfüllt.

Männer? Entweder toxisch (Lindemann) oder alt (Udo, Otto)

Zu den großen musikalischen Erbaulichkeiten des Jahres zählten außerdem „Fuse“, das erste Album des englischen Pop-Ehepaares Everything But The Girl seit 24 Jahren, Olivia Rodrigos starke zweite Platte „Guts“ sowie „The Record“, das begeisternde Gemeinschaftsdebüt von Phoebe Bridgers, Julien Baker und Lucy Dacus.

Männer? Doch, gab es auch. Besonders unangenehm ist der Gedanke an Till Lindemann. Der Rammstein-Sänger fügte der Historie toxischen Tourneeverhaltens von Rockmusikern – bei aller Unschuldsvermutung gilt dies als gesichert – eine besonders widerwärtige neue Facette hinzu. Ehrlich, man möchte über diesen misogynen Mist kein Wort mehr schreiben, und die Band macht einfach weiter. Möge Lindemann der Blitz auf dem Klo treffen.

Großartig: Apache 207 und Ski Aggu

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Ganz großartig ist dagegen, was die 26 Jahre jungen Herren Apache 207 (Volkan Yaman) und Ski Aggu (August Jean Diederich) geleistet haben. Beide legten jeweils einen großartigen, alles umspannenden Mehrgeneration-Hit hin. Ski Aggu holte für „Friesenjung“ Otto Waalkes aus der Altersteilzeit, und Apache gelang im Verbund mit Udo Lindenberg der deutschsprachige Über-Song, auf den sich alle einigen konnten. „Komet“ stand 21 Wochen an der Spitze der Single-Charts, kommt auf 275 Millionen Streams, und man ertappt sich selbst bei dem Wunsch, das coole „Odd Couple“ möge Lust auf eine Fortsetzung verspüren.

Die Rolling Stones vor Depeche Mode und Metallica

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Auch jenseits von Udo und Otto war 2023 kaum etwas auf der Welt so verlässlich wie die deutschen Albumjahresbestenliste. Rang drei: Metallica mit „72 Seasons“. Rang zwei: Depeche Mode mit „Memento Mori“. Und Rang eins, klar: The Rolling Stones mit „Hackney Diamonds“. Vielleicht sollte Joe Biden einfach mit dem gleichaltrigen Mick Jagger zusammen ins Trainingslager gehen. Dann packt er locker noch die nächsten vier Jahre – bevor Taylor Swift, nachdem sie noch ein bisschen die Pop-Weltherrschaft genossen hat, dann 2029 übernimmt.

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